lyrik

 

SPRICH!

Mit Wind
in ihm verbirgt sich
dein gesuchtes Wort viel-
leicht vergisst dann
dein Verstummen
die Buchstaben festzuhalten

 

GELBER STERN

genäht am Mantel
rechts
um später ihn
aus dem Herzen
zu zerren
das Zeichen war auf der Flucht
Suche nach Erkenntnis
Suche nach Identität
Verbannt in der Zeit
verschlossen im Raum
noch heute

 

VERNEBELT

der Mond
Halbschatten im Gesicht,
- der Heimkehrer im Licht
an der Grenze zur Sonne -
ist die Todes-
stimme;
trunken an Dunkelheit.
Was bliebe außer
gehen.

 

prosa

 

Auszug aus dem Roman "Rote Tinte"

Hochzeitsnacht

 
Shirin fühlte sich unwohl, wenngleich sie jemanden heiraten sollte, den sie sehr liebte; und obwohl sie wegen ihrer Hochzeit in großer Euphorie hätte schwelgen können, die bei den Familienmitgliedern, nahen Verwandten und Shirins Freundinnen im vollen Gange war, verspürte sie zitternd die innere Furcht vor einer Verpflichtung, vielleicht der Gründung einer Familie nicht gewachsen zu sein, eine Fürcht bedingt durch ihre Geschichte und ihre Erlebnisse, die sie auf Schritt und Tritt begleiteten.
Ihr rechtes Auge versteckte sich hinter ihren dunkelblond geflochtenen Haarsträhnen, die durch die rote Abendsonne heller leuchteten, welche wiederum hinter der Ziegelmauer noch ihre Anwesenheit bekundete und damit den entlang der Mauer hängenden Lichterketten und den Laternen samt summenden Stechmücken noch große Konkurrenz machte.
Einige Kinder verteilten sich, wenn auch nicht für jedes Kind vorhanden, auf die Lichtflecke, die ab und zu ihre Intensität verloren, wenn die Äste und Blätter sich in den Wind legten und hin und her klatschten und damit das Licht unterbrachen, während ein paar Salamander am und zwischen den Ästen der Weintrauben krochen und über der Mauer auf die Straßen gelangen. Die Kinder spielten Verstecken und machten einen reibungslosen Durchgang der Gäste in den Hof unmöglich, da sie zwischen den Kindern, den Tischen und den Stühlen manövrieren mussten.
Es herrschte eine rege Stimmung im Hof. Die Hochzeitsgäste schienen ihre Schwierigkeiten zu haben, aneinander Anschluss zu finden. Da die Gastgeber selber mit ständigen Vorbereitungen beschäftigt waren, kam es einigen nicht ungelegen, in der eigenen Ecke zu verweilen und sich allein zu beschäftigen. Mit einem zögernden und unangenehmen Blick aus dem Winkel des linken grünen Auges von Shirin musterte sie heimlich die Gäste, indes sie sich stets beobachtet fühlte. Dann mit einem weichen Lächeln senkte sie ihren Blick gegen Boden, um ihre Verlegenheit gegenüber den Beobachtern zu verbergen.
Man bemerkte obendrein ihren unbeholfenen Gang und die Unsicherheit durch ihre hochhackigen Schuhe, die sie an diesem Abend stets begleitete und in gewisser Weise bekleidete; sie stolperte fast an jedem Stuhl und an jedem Tisch. Die Gäste wollten sich aus Höflichkeit nicht anmerken lassen, dass Shirin nervös durch den Hof stolzierte und gute Miene zum bösen Spiel zu machen versuchte. Sie verschlossen ihre Augen und schauten plötzlich weg und unterhielten sich weiter, als wäre nichts gewesen. Manchen war es auch peinlich, Shirin dabei beobachtet zu haben, wie sie sich natürlich unabsichtlich in solche Peinlichkeiten brachte. Dadurch fühlten sie sich wiederum beobachtet.
Man merkte es obendrein bei ihr durch ihre hochhackigen Schuhe unbeholfenen Gang die Unsicherheit, weil sie fast an jedem Stuhl oder an jedem Tisch stolperte, die sie an diesem Abend stets begleitete und in gewisser Weise bekleidete.
Die Gäste, die aus purer Höflichkeit sich nicht merken lassen wollten, dass Shirin unbedarft nervös durch den Hof ging und dass sie gute Miene -ihrem Gefühl nach- zum bösen Spiel zu machen versuchte, verschlossen sich die Augen oder schauten plötzlich weg und unterhielten sich weiter.
Manchen war es auch peinlich, Shirin dabei beobachtet zu haben, wie sie sich natürlich unabsichtlich in solche Peinlichkeiten brachte. Dadurch fühlten sie sich wiederum beobachtet.

Auszug aus dem Roman "Entscheidung an der Grenze"

1978 - 1986

Die Tage wurden rauer. Die Sonne umhüllte einen Schleier um sich, der ihr Licht bedeckte. Der Wind schlug die Fensterläden gegen die Ziegelmauer, und ihre Griffe hinterließen leichte Kerben in den Mauern. Ein Teppich aus Staub schwebte über die Straßen, der sich dann in Richtung des Flusses auf das Wasser legte. Die Geräusche aus den Klimaanlagen machten einen Höllenlärm, und die aus den Anlagen hinausgepustete heiße Luft machte die Temperaturen des Monats August wett.
Die Häuser erschlossen sich meist zu einem Hof in der Mitte mit einem kleinen Bassin, in dem Goldfische schwammen. Manche Nachbarn hatten bedingt durch die engere Zusammenführung ihrer Häuserwände einen gemeinsamen Hof, mit einem meist größeren Bassin.
In diesem Fall war der Konflikt zwischen den Nachbarn bereits vorprogrammiert, wer wann den Hof für seine Zwecke bedienen dürfte. Für die Schlichtung der Auseinandersetzung wurde der Mullah Khaled eingeladen, der jedoch jede Gelegenheit nutzte, um die Frauen zu begrapschen.
Auf der Hafiz Straße stand wie erwartet Om Djalil vor der Haustür und zerrte ihren Sohn von der Straße ins Haus. Alle anderen Jungen lachten Djalil aus.
Er ging gesenkten Hauptes nach Hause, während noch die Knöpfe seines Hemdes durch das Zerren seiner Mutter in die Luft flogen. Mohsen sammelte die Knöpfe, warf sie Djalil vor die Füße und verspottete ihn, dass er ein Muttersöhnchen wäre, worauf Djalil mit geballter Faust und großer Wut auf seine Mutter hinter der Haustür verschwand. Noch hörten die Kinder auf der Straße Om Djalils Beschimpfungen, bevor der Gemüsewagen mit seiner Hupe den Straßenlärm vervollständigte und die Gelächter der Kinder im Geschrei des Gemüsehändlers Abbas untergingen.
Einige Bewohner gingen einzeln oder zu zweit ihrer Arbeit nach oder sie erledigten im Bazar ihre Einkäufe. Die Schüler genoßen noch ihre Ferien und spielten trotz der erbarmungslosen Hitze Fußball und Fangen.
Doch etwas anderes beherrschte zusätzlich das Bild der Straßen. Eine Mischung aus Schwefel, Staub und Schweiß verbreitete sich in der kleinen Hafenstadt und ließ die Bewohner misslaunisch stimmen.
Denn allmählich erreichten die politischen Unruhen, die in der Hauptstadt Teheran und in einigen Großstädten Irans im vollen Gange waren, die kleine Hafenstadt Khorramshahr, wo das Leben wegen der heißen Temperaturen etwas langsamer verlief.
Auch hier gingen die Fensterscheiben mancher Geschäfte zu Bruch. Und obwohl der Aufstand in der Hafenstadt nicht zu vergleichen wäre mit dem in der Hauptstadt, patrouillierten und kontrollierten die Soldaten der Gendarmerie zwar nicht ganz beherzt in der Stadtmitte und vor der großen Jam Moschee. Dieser Anblick der Stadt veränderte langsam die Stimmung der Bewohner.
Kejvan, Ardeshir, Manutschehr und Manutschehrs Freund Kourosh kamen aus dem Bazar mit ein paar Süßigkeiten in der Hand und gingen durch die Straßen. Der Bazar war voll mit Gerüchen und Menschen.
Ardeshir machte stets seine neue Brille auf der Nase zurecht. Manutschehr und Kourosh waren eher zierlich und groß. Während Ardeshir und Manutschehr sich über alles Mögliche lustig machten, fuhr Kourosh mit dem linken Zeigefinger in seine lockigen Haare und versuchte die Knoten zu lösen.
Manutschehr zeigte sich von seiner besten Seite, indem er arrogant seine dunkle Brille auf seiner Nase zurecht machte und das Gespräch an sich riss.
Nach einer Weile war es Kejvan lästig und er schlug vor sich zu trennen und nach Hause zu gehen. Er verabschiedete sich von den dreien und begab sich auf dem Nachhauseweg.
Auf der Shahpourstraße roch es stark nach Schwefel und Staub, einer Mischung, die in die Nase stieg und brannte. An den Wänden sah Kejvan Verwünschungen und Parolen gegen das Schah Regime. Einige Soldaten bemühten sich die Parolen zu entfernen, doch es wurden wieder neue geschrieben.
Die Stadt war schon ein wenig gezeichnet von der Angst und Unsicherheit, die von der Armee verursacht wurden. Gesenkten Hauptes gingen die Menschen ihrem Einkauf und Verkauf nach, während sie stets ihre Augen überall hinrichteten, als ob sie jeden Moment etwas Unangenehmes erwarteten. Eine kollektive Furcht vor etwas Neuem beherrschte die kleine Hafenstadt.
Plötzlich hörte Kejvan eine Schießerei. Er rannte auf eine Gasse zu und versteckte sich hinter einem Auto. Vorsichtig spähte er in die Straße. Der Boden bebte, als ob Panzer rollten.
Und tatsächlich sah Kejvan zwei Panzer hintereinander vorbeifahren. Er hörte ein Auto auf der Straße bremsen. Dann hörte er eilende Schritte näher kommen.
Er versuchte eine Zuflucht zu finden. Am Fenster beobachtete eine alte Dame Kejvan, wie er versuchte sich unsichtbar zu machen. In die Gasse kamen vier Soldaten in seine Richtung. Dann ging eine Tür auf und die alte Dame bat ihn rasch ins Haus zu kommen. Doch es war zu spät.
Ein junger Soldat, der einen leichten, verwobenen und akkuraten Bart trug, verletzte Kejvan mit einem Bajonett an der Brust. In dem Moment flüchtete er und fiel ins Haus, mit dem Kopf auf eine Stufe. Die Tür ging zu. Es ging alles sehr schnell. Kejvan hatte Glück in Unglück. Die Soldaten gingen vorbei und verfolgten ihn nicht mehr. Danach fiel er in Ohnmacht.
Drei Stunden später wachte Kejvan bei sich Zuhause im Bett auf. Seine Mutter, die vier Tanten, die Großmutter und seine Geschwister waren um ihn versammelt. Auch Ardeshir stand neben ihm.